#4 Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Auch heute gibt es an dieser Stelle einen wohlbekannten Klassiker der Muttisprüche. Natürlich ist dieser auf verschiedene Personen im Umfeld adaptierbar, aber speziell meine Mutter hat ihn mir gegenüber oft verwendet. Ob sie diese Weisheit als Ermunterung oder Trost oder als abschließende Worte zu einem nicht erreichten Ziel einsetzte, hing dabei natürlich entsprechend von der Situation ab…
Aus der Sicht von Klein-Elfriede …
Es gab Dinge, die konnte ich als Kind richtig gut: schnell laufen, laut singen, überall dabei sein und es meinen Geschwistern gleich tun. In meiner Welt war ich dabei dem Himmel in der Qualität meiner Ausführung recht nah – wenn nicht gar schon direkt vor der Pforte. Und wer bitte wird wieder von der Himmelsleiter geschubst, wenn er doch direkt vor der Tür steht? – Ich. Von meinen gnadenlosen Geschwistern, die schneller rennen konnten, lauter und schöner singen und überhaupt aufgrund ihres Alters fast alles besser konnten. Meine liebe Mutter sah die Unterschiede, den Kampfgeist meinerseits und auch die unerschütterliche Ehrlichkeit der Geschwisterkinder bei der Einordnung des Erreichten. Ein aufmunterndes „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“ war an diesen Stellen ein großer Trost für Klein-Elfriede. Bedeutete dies doch offensichtlich, dass sie nicht so einfach vom Himmel fallen konnte, egal was wer sagt.
So wurde die Grundangst genommen und es war Platz für die zweite und unbedingt mitschwingende Bedeutung: Bleib fleißig dran und übe, halte durch und lass dich nicht entmutigen. In Anbetracht der Tatsache, dass es noch nie jemand bestätigen konnte, aus dem Himmel fallende Meister gesehen zu haben, hieß dies, dass alle fleißig üben, arbeiten und dran bleiben – eine vollkommen klare Kinderlogik inklusive Motivation und Trostspende gleichermaßen.
Und in mir schlummert Monika…
Meine Tochter ist inzwischen auch ein kleiner Meister – beständig in der Gefahr irgendwo und irgendwie zu fallen, vor allem aus dem heiteren Himmel. Sie versucht das Gabel halten zu meistern, das Laufen lernen, das Strumpfhose über Schuhe ausziehen und das Halten ihres Trinkbechers mit einer Hand. Und nein, nach meinem Dafürhalten ist sie an manchen Stellen noch kein Meister – aber, sie meistert ihre Vorhaben meisterlich. Die Gabel erreicht oft noch das Auge statt den Mund, aber die Richtung stimmt. Das Gleichgewicht für einen Alleingang fehlt noch völlig, aber sie kann großartig an der Hand laufen. Sie hat verstanden, dass Strümpfe generell ausgezogen werden können und dass sie da dranbleibt, obwohl der Schuh im Wege ist, ist meisterlich. Der Unmut der Tochter darüber, dass die bereits erkannten und erprobten Abläufe jedoch immer mal wieder in Vergessenheit geraten, ist an manchen Tagen selbstredend unglaublich groß. Zwischen Lachen und Weinen denke ich mir selbst im Stillen – aufmunternd zu ihr und mir – ganz im Stile Monikas: Ach Liebes, es ist doch noch kein Meister vom Himmel gefallen!