#11 Wer schön sein will, muss leiden.
Noch so ein Spruch, der so typisch, wie ständig falsch, platziert ist. Aus der Tochtersicht. Noch so ein Spruch, der so schnell und unreflektiert in (un)passenden Situationen aus dem Munde flutscht oder tief in den Gedanken wohnt. Aus der Sicht einer Frau, Freundin, Mutter, Tochter, Schwester.
Sprich, ich muss zu allererst klarstellen, dass dieser Monika-Spruch mich bereits seit meinen fröhlichen Jahren als Mini-Elfriede begleitet und sich derart manifestiert hat, dass ich eingestehen muss, in diesem Punkte meiner Mutter Monika im Laufe der Jahre beinahe den Sprücheklopfer-Rang abgelaufen zu haben. Zumindest haben wir ihn auch sogar auch schon zeitgleich gesagt. In meinen Augen fast die vollendete Symbiose von Mutter und Tochter hinsichtlich erlebter und weiterzutragender Lebensweisheiten.
Erinnerung von Mini-Elfriede: Schönheit, die Erste!
Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter regelmäßig freitags zum Konzert ausging. Während wir Kinder uns bettfertig machen sollten, machte meine Mutter sich ausgehfertig. Sie nutzte dabei allerlei Utensilien, um sich zu „schön zu machen“. Ich seh’ noch heute den becherartigen Behälter mit ihren zahlreichen Kajalstiften von schwarz über grün bis hin zu einem fröhlichen blau vor mir und war entzückt und fasziniert gleichermaßen, meiner Mutter beim Schminken zuzusehen. Selbstverständlich galt – nur gucken, nicht selber ausprobieren. Selbstverständlich galt dies für mich nur, solange meine liebe Mutter anwesend war. Jedenfalls als ich älter wurde. Als Kind war ich einfach nur voller Ehrfurcht diesen Stiften gegenüber, die nicht zum malen, sondern anmalen da waren. Irgendwann probierte ich es natürlich doch. Was so einfach aussah, ging jedoch gehörig ins Auge, im wahrsten Sinne des Wortes. Nämlich in mein Auge. Und zwar trotz optimistischen zweiten Anlauf, auch in das andere Auge. Ich erlitt Schmerzen. Und ich sah aus wie eine Eule – eine schöne wohl bemerkt. Allerdings wurde mir da wohl das erste Mal klar, dass es eine gewisse Leidensfähigkeit braucht, um diese Schule der Kajalführung zu durchlaufen. Für mich völlig klar eine wichtige Lektion in Sachen „Wer schön sein will, muss leiden“.
Erinnerung von Mini-Elfriede: Schönheit, die Zweite!
Ich erinnere mich an einen zweiten Schönheits-Leiden-Fall: Als langhaariges Mädchen gehörte zu den ersten Körperpflegeübungen natürlich auch das Haare kämmen…üben. Als Räuber auf dem Felde, kampfgeübte Grundschülerin auf dem Pausenhof und sportbegeisterte Mini-Elfriede machte ich mir im Alltag natürlich keine Gedanken um die Haarpracht, es sei denn, sie störte und wurde mit einem Haargummi fix zusammengebunden. Aber es kamen diese (wiederkehrenden) Tage, an denen ich eine weitere und schmerzhafte Lektion in Sachen Schönheit durchlitt. Die Tage, an denen die Haare gewaschen wurden – und damit auch gekämmt. Ein Elend, ein Leid. Ein Verfitze, ein Geziepe. Ein Geheule, ein kindliches Gefluche und eine liebevoll strenge Mutter und der dazugehörige Blick mit der Botschaft „Wer schön sein will, muss leiden“.
Ich für meinen Teil wollte diese Art der Schönheit nicht. Was konnte an Schmerz und Tränen (Damit ging es immer einher. Erst die Schmerzen, dann die Tränen) schön sein? Ich wollte nur meine langen Haare tragen. Offen, oder als Zopf. Offen natürlich an Sonn- und Feiertagen, schön zurecht gemacht. Geschlossen immer dann wenn eben kein Sonn- oder Feiertag war und die Haare gestört haben. Irgendwann mochte ich die Feiertage nicht mehr. Irgendwann, um genau zu sein, mit Beginn des 3. Schuljahres. Ich wurde der langen Haarpracht entledigt und lief ab da als MädchenJunge durch das Revier. Es wurde einfacher, und wesentlich schmerzfreier. Und ich habe nicht mehr wegen der Haare gelitten, aber wohl bestimmt wegen ganz vieler anderer Dinge, die ich unbedingt auch wollte (ich sag nur: Ohrlöcher stechen lassen!).
Ist Zustand von Groß-Elfriede: Das Leid nimmt kein Ende!
Groß-Elfriede leidet natürlich immer noch, um schön zu sein. Natürlich nur für sich selbst. Nicht für die Anderen. Ich leide, wenn ich wieder den ganzen Tag mit hohen Absätzen eine großartige Figur hingelegt habe, aber ich weiß, ich sah toll aus, denn ich habe mich auch so gefühlt.
Ich leide, wenn die Luft im Bad nach Chemikalien riecht und ich das Gefühl habe, dass meine Kopfhaut jegliches lebende Zellmaterial abstößt, aber ich habe Mutter Natur mal wieder besiegt und die leidigen (Jawohl!) Haaransätze eliminiert.
Ich leide, wenn ich wider besseren Wissens eine Haarentfernungsdienstleistung auf mich nehme, um am Wellness-Wochenende schön auszusehen (sinnlos, vorher leiden, ehe man sich zum Schönmachen begibt – quasi das Leid vor dem Leid für die Schönheit.) Ich könnte dies endlos fortführend an Beispielen festmachen und ausbreiten. Aber ich denke die Trag- und Wirkungsweise ist mehr als deutlich geworden. Es ist ein Leid. Seit jeher. Und ich nehme es immer wieder gerne auf mich. Jedenfalls danach sehe ich das so. Währenddessen sage ich mir mich selbst tröstend, mich selber auslachend oder manchmal auch nur so dahingrinsend: „Wer schön sein will, muss leiden.“